Berlin in der Jackentasche. Geht das?

Durch das Groß-Berlin-Gesetz vom 25. April 1920, das am 1. Oktober 1920 in Kraft trat, wurden in die bisherige Stadtgemeinde Berlin die sechs kreisfreien Städte Berlin-Lichtenberg, Berlin-Schöneberg, Berlin-Wilmersdorf, Charlottenburg, Neukölln und Spandau sowie aus den umliegenden Kreisen Niederbarnim, Osthavelland und Teltow die Stadtgemeinde Cöpenick, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirke eingemeindet. Das Stadtgebiet vergrößerte sich von 66 km² auf 878 km². Damit war Berlin – nach Los Angeles – die flächenmäßig zweitgrößte und an der Einwohnerzahl gemessen – nach London (7,3 Millionen) und New York (5,6 Millionen) – die drittgrößte Stadt der Welt. Die Einwohnerzahl verdoppelte sich von 1,9 Millionen auf 3,8 Millionen Einwohner.

Für die Kartenverlage und die Kartografen erzeugte dieser rapide Flächenzuwachs des Stadtgebiets das Problem, wie man die Stadt in einer handlichen, für die Orientierung unterwegs geeigneten Form darstellen könnte.
Man konnte sich auf den inneren Bereich des Stadtgebiets beschränken und versuchen, das Kartenblatt so zu falten, dass es sich wie ein Buch durchblättern lässt.
Natürlich gab es auch weiterhin Pläne, die auf einem großen Blatt die gesamte Stadt wiedergaben. Ein Quadratmeter Papier war aber nicht das, was der Benutzer ausbreiten wollte, wenn er bei Wind und Wetter in der Stadt unterwegs war. Die Lösung waren Stadtatlanten, die das Stadtgebiet auf vielen kleinen und handlichen Ausschnitten (Kacheln) darstellen.

Mit ihrer Serie "Berlin in  der Tasche", die ab 1925 bis weit in die 1970er Jahre erschien, hat die Berliner Morgenpost hier einen äußerst erfolgreichen Stadtatlas geschaffen, der auch als Modell für weitere Stadtatlanten bis hin zu dem noch heute verfügbaren "Knick mich Berlin" Stadtatlas angesehen werden kann. "Berlin in der Tasche" ließ sich in der Mitte so zusammenlegen, dass er tatsächlich in die Jackentasche passte.

Heute scheinen gedruckte Stadtpläne oder -atlanten fast völlig von Navigationsapps verdrängt worden zu sein. Nicht nur Berlin, ganz Europa im Speicher unseres Smartphones passt heute in eine Jackentasche. Wir verlassen uns auf unser Navi und darauf, dass sich der kleine Bildausschnitt mit uns bewegt und immer das nächste Wegstück zeigt. Aber wehe, das Navi fällt einmal aus! Was haben wir dann noch in der Tasche?