Grenzwertig!

Man könnte meinen, "Berlin" und "Grenze" wären zwei Seiten einer Medaille, so präsent sind immer noch die Erinnerungen an die Berliner Mauer und die Grenzsituation um West-Berlin.

Gerade die innerstädtische Grenze, die Berliner Mauer, war Zeit ihres Bestehens im Bewusstsein der meisten Einwohner eine schmerzhafte Wunde, in den Augen vieler Besucher aber auch ein Faszinosum, das leichten Grusel auslösen konnte. Eine Fahrt mit der U-Bahn unter Ost-Berlin hindurch, den Anblick der "Geisterbahnhöfe", einen Einkauf im Intershop auf dem Bahnhof Friedrichstraße haben viele als Abenteuer empfunden. Manchen Bundesbürgern war aber auch nicht bewusst, das man durch die DDR, durch den Ostblock, fahren musste, um West-Berlin auf dem Landweg zu erreichen.

So gab es von offizieller Seite viele Versuche, mit verschiedenen Informationsmitteln, auch Prospekten und Landkarten, auf die geographische, politische und wirtschaftliche Situation Berlins hinzuweisen. Das Interesse an der Teilung Berlins, der Grenze zwischen Ost und West, zwischen Systemen und Machtbereichen, hält auch mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch an. Reste der Berliner Mauer und Erinnerungsorte an die Mauer sind noch heute Touristenattraktionen.

Weniger bekannt sind hingegen einige besondere Grenzsituationen zwischen Berlin und Brandenburg, auf die man beim Studium topographischer Karten aus der Nachkriegszeit stößt.

In der unmittelbaren Nachkriegszeit, als sich alle vier Alliierten noch gemeinsam für Gesamtberlin verantwortlich fühlten, kam es zu Gebietsaustauschen zwischen den Sowjets einerseits und den Briten und den Franzosen andererseits, die das Leben der davon betroffenen Einwohner nachhaltig verändert haben. Hunderte von Berlinern sind dadurch de facto über Nacht zu Einwohnern der sowjetischen Besatzungszone geworden, während manche Brandenburger sich plötzlich im Britischen oder Französischen Sektor Berlins wiederfanden. Neben Stadt- und Bezirksgrenzen hatte Berlin nun auch eine Interessengebietsgrenze erhalten!

Ich habe versucht, diese Zusammenhänge für West-Staaken, Groß Glienicke und den Seeburger Zipfel sowie für Stolpe und die Stolper Felder mit Karten zu verdeutlichen. Wie so oft, erleichtert auch hier der Blick von oben (auf die Karte) das Verständnis der räumlichen Situationen. Bei den einzelnen Kartenblättern finden Sie kurze Erläuterungen und weiterführende Hinweise.

Die Bezirkskarte von Reinickendorf von 1946 scheint mir übrigens eine besondere Rarietät zu sein. Mir ist bisher jedenfalls keine andere amtliche Karte bekannt, die das Dorf Stolpe im Norden Berlins in das Stadtgebiet einbezieht und nordwestlich von Frohnau einen völlig ungewohnten Grenzverlauf darstellt.